Es geht hier um Landwirtschaft bzw. Gartenbau, aber nein, jetzt wird nicht (nur 😉 ) gejammert.
Denn obwohl das Jahr 2023 mich an meinen beiden Standorten klimatisch sehr gefordert hat, sprechen die Zahlen eine sehr positive Sprache.
Erträge
Laut Statistischem Bundesamt wurden in Deutschland im Mittel der Jahre 2015-2022 stets um 30 t/ha Gemüse erzeugt. Dies sind die Erträge aller erfassten Betriebe, ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsweise (z.B. bio/konventionell) oder der Kultur (Kohl vs. Salat). Meine Erträge 1 lagen für die verschiedenen Flächen (in Klammern die Beetfläche) bei:
Marktgarten (112 m2): 63,434 t/ha
Gemüsegarten am Haus (40 m2): 33,587 t/ha
Tunnelgewächshaus (12 m2): 46,562 t/ha
kaputtes Hobbygewächshaus (5,7 m2): 31,137 t/ha
Das bedeutet, dass der Marktgarten den doppelten Flächenertrag der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland erreicht hat, obwohl ich auf den meisten Beeten nur zwei Kulturen angebaut habe. Wäre der Marktgarten nicht ein Projekt der Selbstversorgung sondern ein kommerzieller Betrieb, so hätte ich 3-5 Kulturen pro Beet und Jahr angestrebt.
Erfasst habe ich nur die Beete, die von unserer Familie genutzt werden. Die anderen Beete werden von unseren Freunden genutzt, die das Land bereit gestellt haben. Dort lagen gefühlt die Erträge sogar noch etwas höher, da die Beete über den Tagesverlauf etwas mehr Sonne abbekommen haben.
Durch das Neuanlegen der Beete im Gemüsegarten am Haus habe ich den Boden stark gestört. Wenn sich die Bodenstruktur erholt hat, erwarte ich hier auch wieder höhere Erträge. Da der Anbau von Salat allerdings überwiegend hier, dicht am Haus erfolgt, werden sie nie so hoch wie im Marktgarten sein.
Zusammen haben die beiden Gärten für unsere Familie 1110 kg 2 Obst, Gemüse und Kräuter produziert und zur Jahreswende 2023/24 essen wir immer noch eingelagerte Äpfel, Kürbisse, Zucchini (Markkürbisse), Karotten, Zwiebeln, Kohl, Rote/Gelbe Beete, Knoblauch. Frisch vom Beet kommen noch Kohlsorten, Karotten, Pastinaken, Rote Beete, Porree, Knollensellerie, Stangensellerie, Mangold, Kräuter und Salate. Eingekocht haben wir Apfelmus, verschiedene Sirupsorten, Chutneys, Bohnen, Rotkohl, Brühe, Gewürzgurken und anderes Eingelegtes. Aus der Gefrierung kommen Johannisbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren, Rhabarber, Chillies, Spinat, Mangold, Rote Beete Blätter, Mais, Bohnen, Erbsen, Zuckerschoten, Kohlrabi, Dicke Bohnen, Blumenkohl und Kräuter. Außerdem haben wir noch getrocknet Dicke Bohnen, Feuerbohnen, weiße Bohnen, Erbsen und Kräuter.
Wer unseren Einkaufswagen im Supermarkt sieht, könnte denken, dass wir fast gar kein Obst und Gemüse zu uns nehmen. 🙂
Materialeinsatz
Die gesamte Ernte wurde ohne Dünger und Pestizide allein durch Ausbringung von eigenem Kompost und kommunalem Grünkompost erwirtschaftet. Der Einsatz von Diesel beschränkte sich auf Fahrten zum Marktgarten und das Abholen von Kompost beim Kompostwerk in weniger als zwei Kilometer Entfernung. Die sonstige Bewirtschaftung erfolgte ausschließlich per Hand ohne weiteren Maschineneinsatz.
Seit der Neuanlage des Marktgartens 2022 wurden eine spezielle Kompostkarre (die teuerste Einzelanschaffung!), Schutzvliese, Insektenschutznetze, Drahtbögen, Anzuchtplatten, Vorratskisten, Bewässerungsausrüstung usw. im Wert von ca. 1400,- € beschafft. Dazu kamen für die Anlage des Marktgartens 1265,- € für Kompost und Holzhackschnitzel für Wege. Für die Ausbringung von neuem Kompost nach der ersten Saison fielen 32,- € an. Saatgut schlug mit 76,- € zu Buche.
Zeiteinsatz
Da im Gemüsegarten am Haus eine Neuanlage der meisten Beete anstand und auch das Experiment mit dem No-/Low-Budget-Minitunnel Zeit beansprucht hat, entfielen 2023 auf den Gemüsegarten am Haus 235 Stunden. 3 Der deutlich größere Marktgarten beanspruchte 218 Stunden. Mit dieser Zeit habe ich nicht nur die 797kg Gemüse für uns sondern auch mindestens ähnliche Mengen für unsere Freunde erwirtschaftet. Diese haben auch Stunden in den Garten gesteckt, die allerdings nicht erfasst wurden. Der überwiegende Teil der Stunden ist aber in den 218 enthalten.
Angebaute Sorten
2023 haben wir Obst, Gemüse und Kräuter von über 100 verschiedenen Sorten aus unserem Garten geerntet. Hybride, deren Nachkommen völlig andere Eigenschaften haben, baue ich nicht mehr an. Statt dessen versuche ich, durch eigene Saatgutgewinnung Sorten zu selektieren, die sich an die – leider immer häufiger wechselnden – Standortbedingungen gut anpassen können. Vernünftig finde ich dazu das Konzept der Landrassen nach Lofthouse. Ganz so weit bin ich aber noch nicht.
Ein kompletter Ausfall waren in 2023 die Tomaten im Freiland. Nach enormer Trockenheit im Frühjahr und Frühsommer hat es gefühlt nur noch geregnet. Das führte dazu, dass die mit grünen Tomaten voll hängenden Pflanzen komplett der Fäule zum Opfer fielen. Dabei hatte ich mit Black Plum eine Sorte ausgesucht, die in den Vorjahren sehr gut draußen klar kam.
Bei den Kartoffeln gab es mit der Sorte Muse zum Glück keine großen Ausfälle durch die Feuchtigkeit. Im Gegenteil sind die Knollen so durch das Wasser angeschwollen, dass wir überwiegend Kartoffeln in der Größe für Pommes eingelagert haben.
Lohnt sich das?
Der Betrieb des Marktgarten benötigt ca. 300 Stunden im Jahr. Damit werden mehr als 1,5 Tonnen Lebensmittel in Bio-Qualität mit minimalen Wegekosten und minimalem CO2-Einsatz produziert. Außerdem trägt die Anbaumethode zum Humusaufbau und zur CO2-Bindung im Boden bei. Zu den Anfangsinvestitionen von rund 2700,- € kommen im Jahr lediglich gute 100,- € für neuen Kompost, Hackschnitzel und Saatgut dazu. Die Investitionen für Saatgut sind rückläufig, da ich einen großen Teil selbst vermehre. Dafür werden immer wieder mal Vliese oder Netze ersetzt werden müssen.
Ungefähr 5kg Gemüse in Bioqualität ist damit der Stundenlohn, von dem noch Betriebskosten runter gehen. Wer also mehr als Mindestlohn verdient, für den lohnt sich die Angelegenheit nicht aus wirtschaftlicher Sicht.
Aus wirtschaftlicher Perspektive müsste ich meine Zeit in meine Selbstständigkeit als E-Learning-Berater stecken und das Gemüse im Bio-Supermarkt kaufen. Am Ende wäre immer noch deutlich mehr Geld in der Kasse. Aber dann äßen wir Gemüse, das irgendwo auf der Welt angebaut wird, ohne nachvollziehen zu können, was an Kartoffeln aus der israelischen Wüste oder eingeflogenem Spargel aus Ägypten „bio“ sein soll.
Deshalb beantworten meine Frau und ich die Frage, ob sich das lohnt, ganz klar mit „ja“, weil das gute Gefühl sich gut und relativ umweltfreundlich zu ernähren, den wirtschaftlichen Nachteil um Längen schlägt.
Fußnoten
- Aus den amtlichen Zahlen geht nicht hervor, ob und wenn mit welchen Anteilen Ackerränder oder Zuwegungen in den Zahlen enthalten sind. Für meine Erträge habe ich die reine Anbaufläche verwendet. ↩︎
- Wer nachrechnet, kommt scheinbar auf noch höhere Flächenerträge. Das liegt daran, dass ich die Erträge vom z.B. Obstbäumen im Bauerngarten nicht in den Flächenerträgen erfasst habe. Diese Erträge kommen also zu den Erträgen der genannten Flächen hinzu. ↩︎
- Ich erfasse die Stunden, die in den Betrieb der Gärten fließen. Bei der Erfassung der Stunden zähle ich auch die Stunden von gelegentlichen HelferInnen mit. Die Verarbeitung der Erträge z.B. als Chutneys oder Apfelmus erfasse ich nicht. ↩︎